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Sind wir Fleischfresser – Ein Blick in die Ernährungsgeschichte des Menschen

Stellt euch vor, es wäre möglich einige der gravierenden und besorgniserregenden globalen Probleme erheblich zu vermindern, wie zum Beispiel die wachsende Anzahl an Hungernden, die fortschreitende Zerstörung unserer Umwelt, die Klimaerwärmung sowie die zunehmenden kriegerischen Auseinandersetzungen um begrenzte Ressourcen wie Lebensmittel und Wasser.

Und jetzt stellt euch vor, die Lösung für derart immense Schwierigkeiten kann etwas so banales wie die eigene Ernährung sein. (surprise, surprise)

Mit einer pflanzlichen Ernährung lassen sich in allen Problembereichen Verbesserungen erzielen, wie

Studien mit überzeugenden Daten belegen. 1

Soweit so gut. Aber Moment mal… ist so eine vegane Ernährung überhaupt natürlich???

Und hat der Mensch nicht schon immer Fleisch (Milch, Eier…) gegessen???

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Wir wollen der Sache auf den Grund gehen, und schauen uns einmal genauer an, wie das so war mit der Evolution, den Jägern und Sammlern und der (Mutter-)Milch.

Dazu sei noch erwähnt, dass es aus methodischen Gründen schwierig ist, die ursprüngliche Ernährungsweise der Steinzeit zu rekonstruieren und es in der Erforschung der menschlichen Evolutionsgeschichte gewisse Lücken gibt.2

 

Unsere vermutlich ältesten Vorfahren lebten etwa vor 50 Mio. Jahren als spitzmausgroße Lebewesen und ernährten sich in erster Linie von Insekten. Doch bereits zu dieser Zeit fingen einige Leckermäuler unter den Mäuschen an, Gefallen an reifen Früchten zu finden.

Ihnen folgten Primaten, die es vorzogen auf Bäumen zu leben und sich vornehmlich von Blättern und Früchten ernährten. (Es lebe der grüne Smoothie!)

Jedoch stammte ein geringer Anteil ihrer Kost weiterhin aus Insekten.3

 

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Danach folgte eine bereits erwähnte, wissenschaftliche Lücke, bis sich in der Zeit von vor 4,5 – 2,5 Mio. Jahren die Gattung Australopithecus in den Wäldern Ostafrikas breit machte.  Diese ernährten sich ihrer Gebissmorphologie und Zahnstruktur nach zu urteilen von einer harten, groben Pflanzenkost. (stärkehaltige Speicherwurzeln und –knollen) Es wird vermutet, dass zusätzlich ein geringer Anteil tierischer Kost verzehrt wurde, inklusive Insekten.

Werfen wir einen Blick auf die heute noch lebenden Menschenaffen, wie Orang Utan, Gorilla, Schimpanse, so sehen wir eine identische Ernährungsweise, die ebenso aus reifen Früchten, Pflanzenmark und Blättern besteht, sowie einem geringen Anteil   (4 – 8%) tierischer Nahrung.4

 

Wir befinden uns weiterhin in Ostafrika, wo es vor etwa 2 Mio. Jahren durch Klimaveränderung zur Versteppung der Wälder kam und die Savanne entstand, welche unsere Vorfahren von den Bäumen auf den Boden zwang und somit nach und nach auf 2 Beine.

Durch den Bau von Holz- und Steinwerkzeugen wurde es möglich zu Jagen und somit den Fleischanteil in der Kost zu erhöhen. Ebenso war es durch das Werkzeug möglich, an die für Raubtiere nicht zugänglichen, langkettigen mehrfach ungesättigten Fettsäuren in Hirn und Knochenmark der Beute zu gelangen. Diese waren für das Gehirnwachstum vorteilhaft und somit hat sich das Gehirnvolumen vom Australopithecus bis zum Homo sapiens etwa verdoppelt.ancestor-1257195_640

Aufgepasst! Nicht das Fleisch hat unser Gehirn wachsen lassen, wie gerne behauptet wird, sondern die langkettigen Fettsäuren (gibt es übrigens auch in Pflanzen). Wer isst denn heute noch Hirn und Knochenmark??? (Uuaargh)

Die ausgeprägte Entwicklung des Gehirns bedingte einen erhöhten Energieumsatz und machte deshalb eine erhöhte Energiedichte der Nahrung notwendig.

Die gute Bioverfügbarkeit des Eisens aus Fleisch sowie die erhöhte UV-Exposition (gaaanz viel Sonne) steigerten die Mutationsrate unserer Vorfahren und somit wurde die Entwicklung stark vorangetrieben.

 

Es entwickelte sich also eine omnivore Ernährungsweise die wohl je nach Verfügbarkeit aus Nüssen und Samen (sowie anderen pflanzlichen Bestandteilen) und aus Fleisch, Aas und Fisch bestand. Die genaue Zusammensetzung der Nahrung ist umstritten und es lässt sich keine Spezialisierung auf bestimmte pflanzliche oder tierische Lebensmittel erkennen.5

Diese Epoche führte zur Begriffsprägung des „Jägers und Sammlers“, wobei es eigentlich heißen müsste „Sammler und Jäger“ denn gesammelt wurde weit mehr als gejagt.

 

Vor etwa 10 000 Jahren begann dann der systematische Anbau von Nahrungspflanzen – das Ackerbauzeitalter. Im Vergleich zu den Sammlern und Jägern verzehrten die vom Ackerbau lebenden Menschen eine deutlich geringere Vielfalt an Pflanzen, sowie einen höheren Anteil an Kohlenhydraten. Und einen vergleichsweise geringeren Anteil an tierischem Protein, Fett und Vitaminen.

Durch die fortschreitende Nutzung und Domestikation von Tieren, erhöhte sich der Anteil an tierischer Kost jedoch wieder.

So begann man vor 6000 Jahren die Muttermilch von Wiederkäuern zu verwenden.  Da 6000 Jahre im Vergleich zu unserer gesamten Evolutionsgeschichte ein relativ kurzer Zeitraum ist und in etwa nur 200 Generationen entspricht, hat die Anpassung an diese neue Nahrungsquelle (noch) nicht bei allen Menschen stattgefunden. Das macht sich an den hohen Lactoseintoleranz-Raten in der Bevölkerung bemerkbar. (etwa 76%) Evolutionär gesehen ist allerdings diese „Unverträglichkeit“ der Normalzustand.6

 

Wir wissen jetzt also, dass für den Menschen und seine Vorfahren eine hohe Anpassungsfähigkeit an unterschiedliche Nahrungsverfügbarkeiten und Lebensräume stets von Vorteil war.

Doch alleine anhand der Ernährungsweise unserer nächsten Verwandten lässt sich noch keine artgerechte Ernährung für uns ableiten. Schauen wir uns dazu jetzt mal unsere anatomischen und physiologischen Merkmale genauer an:

 

Magen, Dünn- und Dickdarm weisen Proportionen und Größen auf, die auf eine gemischte, jedoch überwiegend pflanzliche Kost deuten. Unser Dickdarm besitzt bestimmte Muskelfasern, (Tänien und Haustren) die typisch für Pflanzenfresser und Allesfresser mit überwiegend pflanzlicher Ernährung sind.

Der Mensch ist nicht fähig Vitamin C zu produzieren. Typische Fleischfresser wie beispielsweise Katzen allerdings haben diese Fähigkeit.

Das deutet auf eine ununterbrochen genutzte pflanzliche Kost hin, mit einer ständigen Verfügbarkeit von Vitamin C über die Ernährung (Blätter, Früchte) sodass auf die Fähigkeit zur Synthese dieses Vitamins verzichtet werden konnte.

Unsere Zähne sind ein weiterer Beleg für den überwiegenden Verzehr pflanzlicher Kost. Wir besitzen Mahlzähne mit der Fähigkeit unsere Kiefer nach links und rechts zu bewegen, im Gegensatz zu Fleischfressern, deren Kiefer nur Auf- und Zu-Bewegungen zulässt. Wir besitzen einen dicken Zahnschmelz für ein intensives Kauen pflanzlicher (harter) Kost.

In unserem Speichel befindet sich ein Stärkeabbauendes Enzym (Amylase) – ein typisches Merkmal von Pflanzenfressern.

 

Diese grundlegenden Unterschiede zeigen, dass die pflanzliche Kost mengenmäßig immer über der tierischen Kost lag, und unser Körper mehr dafür gemacht ist Pflanzliches, als Tierisches zu verdauen.

Wir sind also Allesesser (Omnivoren) mit der Betonung zum Pflanzenesser (Herbivore)1

 

Interessant ist auch noch zu erwähnen, dass es Bevölkerungsgruppen gibt, wie die Inuit, die fast ausschließlich tierische Kost in Form von Meeressäugern (z.B. Robben, Walrosse und Wale) und

einigen Landtieren (z.B. Karibus und Eisbären) inkl. deren teils pflanzlichen Mageninhalten zu sich

nehmen, sowie Naturvölker die sich fast ausschließlich pflanzlich ernähren, oder religiöse Kulturen wie die Jains, die Bishnoi oder Anhänger des Buddhismus und Hinduismus, die sich ebenfalls (fast) rein pflanzlich ernähren.

 

Eine rein pflanzliche Ernährung ist also möglich. (Wow, wer hätte das gedacht?!)

 

So äußert sich zum Beispiel die A.N.D (Academy of Nutrition and Dietetics) zum Thema vegane Ernährung: „Gut geplante vegane und andere Formen der vegetarischen Ernährung sind für alle Phasen des Lebenszyklus geeignet, einschließlich Schwangerschaft, Stillzeit, Kindheit und Jugend.“

 

Hinzukommt, dass eine ausgewogene pflanzliche Ernährung, die reich an unverarbeiteten Lebensmitteln ist, mit zahlreichen positiven Effekten für unsere Gesundheit verbunden ist.7

 

Also worauf warten wir noch? – Retten wir die Welt 😉

 

 

1Claus Leitzmann, Markus Keller: Vegetarische Ernährung (2013)

2Ströhle A, Hahn A: Evolutionäre Ernährungswissenschaft und steinzeitliche Ernährungsempfehlungen: Stein der allgemeinen Weisheit oder Stein des Anstoßes? (2006)

3Eaton SB, Konner M: Paleolithic nutrition. A consideration of its nature and current implications (1985)

4Standford Cb: The hunting ecology of wild chimpanzees: implications for the evolutionary ecology of pliocene hominids (1996)

5Ungar Ps, Grine Fe, Teaford Mf: Diet in early homo: a review of the evidence and a new model of adaptive versatility (2006)

6Koerber Kv, Männle T, Leitzmann C: Vollwert-Ernährung. Konzeption einer zeitgemäßen und nachhaltigen Ernährung (2012)

7Dr. Greger M, Stone G: How Not To Die (2016)

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